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Steuersparmodelle beim Immobilienkauf oder wie sich Gemeinden über den Tisch ziehen lassen

Unappetitlich, aber ganz legal: Steuersparmodelle beim Immobilienkauf oder wie Gemeinden sich von Touristik Investoren über den Tisch ziehen lassen.

Haben Sie ein paar hunderttausend Euro auf dem Konto? Ein, zwei Milliönchen vielleicht? Haben Sie nicht? Schade, dann können Sie bei dem Monopoly, das sich “Freie Marktwirtschaft” nennt, leider nicht mitspielen. Aber ein Einblick in die Spielregeln lohnt sich allemal. Auch Gemeindevertreter sollten hier Bescheid wissen, denn sonst lösen sich die von Touristik-Investoren vollmundig versprochenen Steuergewinne ganz schnell in Luft auf.

Bei Grundstücksverkäufen wird bekanntlich Grunderwerbssteuer fällig. In M-V sind das z. Zt. 6%. Bei einem Kauf im Wert von 100.000 Euro fallen also 6000 Euro an. Bei großen Grundstücken handelt es sich leicht um ein Vielfaches dieser Summe. Dieses Geld lässt sich allerdings sparen, wenn man kein Grundstück kauft, sondern Teile einer Firma, die als GmbH registriert ist. Stellen wir uns vor, jemand kauft 94,9 % einer solchen GmbH. Dann bekommt er das Grundstück als Schmankerl dazu, denn es fällt keine Grunderwerbssteuer an, die leicht einen satten Millionenbetrag ausmachen kann. “Shared Deal” nennt sich das: Der alte Besitzer – oder ein neuer Anteilseigner – hält 5,1%. So will es der Gesetzgeber, und der will auch, dass Reiche sich auf ganz einfache Art noch reicher sparen. Dabei entsteht ein millionenschwerer Verlust für das Bundesland, an das die Grunderwerbssteuer zunächst gegangen wäre – in unserem Fall M-V. Das Land unterstützt davon Gemeinden bei Infrastrukturmaßnahmen, so dass z. B. auch Dranske einen spürbaren Schaden haben könnte, wenn Investoren am Bug einen solchen “Shared Deal” tätigen. Verzockt, erstes Kapitel.

Und das Zweite folgt sogleich. Die Gemeinde kann sich durch den Erschließungsvertrag Vorteile verschaffen, indem sie dem Käufer vorschreibt, Infrastrukturmaßnahmen zu bezahlen. Das könnte der Ausbau einer Zufahrtsstraße sein, die Finanzierung eines kommunalen Kindergartens, die Aufrüstung der Feuerwehr etc. So kann sich die Gemeinde ein schönes Stück des Investorengewinns sichern – sie muss es nur tun! Oft wird ein solcher Schritt aus mangelndem Verhandlungsgeschick verschlafen. Dann bleiben die Folgekosten einer Großinvestition – z.B. durch mehr Verkehr oder höhere Einwohnerzahlen – an der Gemeinde hängen. Verzockt, zweites Kapitel.

Und das Dritte folgt sogleich. Wer ein Gewerbe betreibt, etwa ein Hotel, muss Gewerbesteuer zahlen. Die wird fällig am Sitz des Unternehmens (und da, wo weitere Betriebsstätten errichtet werden). Das kann Hannover sein, München oder Innsbruck. Natürlich auch Dranske, Sellin oder Binz. Investoren haben aber viele Möglichkeiten, die Steuern dorthin zu leiten, wo sie es wollen – und wo sie am geringsten sind. Im Zweifelsfall guckt die Gemeinde, in der die Investition stattfand, in die Röhre. Verzockt, drittes Kapitel.

So schnell geht das. Verzockt, viertes Kapitel: Auch die Gewerbesteuer lässt sich sparen, wenn man keine Firma im klassischen Sinn gründet, sondern eine Beteiligungsgesellschaft, die davon lebt, mit Firmenanteilen zu handeln. Jetzt wird es juristisch sehr komplex – so komplex, dass Gemeindevertretungen geneigt sind, davor die Waffen zu strecken und nicht auf die geplante Unternehmensstruktur zu achten. Fakt ist nur: Die Einnahmen an Gewerbesteuer, die von Investorenseite den Gemeindevertretern oft als verlockende Bratwurst vor die Nase gehalten werden, sind dann verloren.

Verzockt, fünftes Kapitel: Das Märchen von den Arbeitsplätzen, die in der Gemeinde durch Investitionen entstehen. Weil dort aber nicht mehr genug Menschen leben, werden sie durch externe Kräfte besetzt – wenn sich solche überhaupt auf dem Arbeitsmarkt finden lassen. Außerdem gibt es für Leute, die zuziehen wollen, kaum ausreichendes Wohnraumangebot, weil schon fast alles in Ferienwohnungen umgewandelt wurde. Nicht nur in Sellin werden viele Euro in den Sand gesetzt, damit sie Junge bekommen. Was hat die Gemeinde davon? 3. Ausgabe – September 2021 12

Verzockt, sechstes Kapitel: Ein beliebter Trick bei Investoren ist es, die fertigen Objekte schnellstmöglich an andere Investoren weiterzuverkaufen. Die Gemeinde darf sich mit den neuen Besitzern herumschlagen, die von früheren Abmachungen nichts wissen wollen. Der Beton bleibt zurück, der Erstinvestor verschwindet mit dem Reibach in unbekannte Fernen. Verzockt, siebtes Kapitel, das ist die fiesere Variante von Nr. 6: Man holt sich – vor dem Hintergrund des knappen Wohnraums – Baugenehmigungen für Gebäude zur dauerhaften Vermietung. Wenn diese Gebäude fertig sind, verlangt man so irrsinnige Mieten, dass da niemand einziehen will. Nach einer Weile verkauft man mit dem Argument, dass man sonst Pleite geht. Dann wird der Weg frei für andere Investoren, die Ferienobjekte suchen. Sofern man das nicht selbst ist – über eine Tochterfirma, versteht sich.

Es gibt also viele Möglichkeiten, wie sich Gemeinden um die Früchte von Investitionen bringen können. Was übrig bleibt, ist Beton an den früher schönsten Stellen, verödende Infrastruktur für die Bewohner, immer dichterer Straßenverkehr und immer größere Urlaubermassen. Bis auf den Winter, denn da steht ohnehin das Meiste leer. Oft kann man den Gemeindevertretern keinen Vorwurf machen, weil sie – neben ihrem Beruf – ehrenamtlich tätig sind und sich nur mit allergrößter Mühe durch Hunderte von Seiten hochkomplexer Dokumente fressen können, die mit den Investitionen verbunden sind. Die Investoren hingegen wissen natürlich bestens Bescheid und haben die cleversten Rechtsanwälte bei der Hand. Vor allem: Nichts gegen Menschen, die Erholung suchen. Aber eine Region, die ihre Schönheit zu billig und ungeschickt verramscht, wird letztlich auch diese Leute in die Flucht schlagen und am Ende auf verödeter Landschaft sitzen bleiben.

Quelle: Klaus Kleinmann – Matthias Scheibe / LINKE Brise Nr. 3, September 2021, S. 11

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